Gegen den Strom: Eine Radtour rund um das ungeschminkte Sylt
Vor kurzem begaben wir uns auf eine unvergessliche Tour in die faszinierende Wildnis, eine Reise durch die Landschaft der atemberaubenden Nordseeinsel Sylt. Mit ihrer rauen Schönheit wirkte die Insel wie ein Sirenengesang und zog uns in ihr Herz. Unser guter Freund Christopher hatte endlich sein Rad gegen ein robustes Gravelbike getauscht, was unserer Gruppendynamik eine ganz neue Dimension verlieh.
Kapitel 1: Die Vorfreude
Unsere Reise begann mit einer Zugfahrt und drei Stunden rhythmischen Ratterns, das als perfekter Prolog für unser bevorstehendes Abenteuer diente. Die Fahrt war zwar etwas lang, aber sie war auch gespickt mit Momenten, die unsere Geduld auf die Probe stellten. Eine unerbetene Erinnerung daran, dass das Alter kein Freifahrtschein für Manieren ist! Trotz dieser kleinen Schwierigkeiten bot das Fenster des Zuges einen schönen Rahmen für die Landschaft und steigerte unsere Vorfreude.
Kapitel 2: Ein Kreuzzug mit dem Fahrrad
Auf Sylt angekommen, hatten wir uns ein Ziel gesteckt: eine 114 km lange Umrundung der gesamten Insel. Wir starteten unsere Tour in Richtung Süden und legten bald einen Zwischenstopp für eine Stärkung ein, die wir dringend brauchten. Das Universum beschloss, eine Prise Drama hinzuzufügen, als Janas Hinterrad mit einem fiesen Nagel in Berührung kam. Dank Björns schnellen Reparaturkünsten wurde unser kurzer Halt nicht zu einem langen Boxenstopp.
Kapitel 3: Schönheit inmitten von Opulenz
Unsere Fahrt führte uns weiter nach Osten, wo sich das Morsum-Kliff abzeichnete, eine beeindruckende Unterbrechung unserer Fahrt voller Abwechslung. Danach schlängelte sich unser Weg in Richtung Norden und führte uns nach List, einer Stadt, in der wir uns auf einen gemütlichen Teller Pommes Frites eingestellt hatten. Die Fahrt durch Kampen bildete einen krassen Gegensatz zu diesem Genuss: Die extravagante Zurschaustellung von Reichtum in Form von Luxussportwagen war ein krasser Gegensatz zu unserem geerdeten Selbst.
Kapitel 4: Die Fahrt zu einer Postkarte
Das Juwel unserer Reise war zweifellos der Ellenbogen, der nördlichste Zipfel von Sylt und Deutschland. Das Panorama hier war schlichtweg umwerfend, jedes Bild einer Postkarte würdig. Vom Ellenbogen aus fuhren wir in Richtung Süden, durch eine Traumlandschaft mit beeindruckenden Dünenlandschaften. Die Sonne warf ein sanftes, warmes Licht auf den Sand, und die salzige Luft füllte unsere Lungen mit einem Gefühl der Befreiung.
Kapitel 5: Unvergessliche Erholung am Meer
Natürlich ist eine Reise an die Nordsee nicht komplett ohne einen Strandaufenthalt. Das Rauschen der Wellen und das Gefühl von Sand zwischen den Zehen waren eine willkommene Abwechslung zur Schotterpiste. Wir stapften durch den tiefen Sand, schoben unsere Fahrräder nebenher und genossen die Ruhe der Nordsee.
Epilog: Ein bittersüßes Ende
Als der Tag zu Ende ging, radelten wir zurück nach Westerland, wo der spätabendliche Zug nach Hamburg auf unsere Rückkehr wartete. Gerade als wir uns entspannen wollten, sorgte ein plötzlicher Telefonanruf meiner Mutter für einen melancholischen Ausklang des Tages. Sie teilte mir mit, dass meine Großmutter noch am selben Morgen verstorben war. Die Nachricht war wie ein Eimer kaltes Wasser auf die warme Freude des Tages. Die Heimfahrt war von einem tiefen Gefühl des Verlustes erfüllt, das die Erlebnisse des Tages in einen düsteren Ton hüllte.
Unser Tag, der mit Freude, Schönheit, Freundschaft und einem unerwarteten Abschied gefüllt war, war eine ergreifende Erinnerung an die Höhen und Tiefen des Lebens. Er endete auf eine seltsame Art und Weise, die Fröhlichkeit eines schönen Tages wurde durch den harten Schlag der Realität aufgehoben. Die Fahrt, das Abenteuer und die Erinnerungen waren in die bittersüße Decke der Unvorhersehbarkeit des Lebens gehüllt.
Der frühe Vogel und sein Wurm oder die Nordheide im Nebel
Es war wieder einmal so weit – für unseren kleinen Radausflug durch das Naturschutzgebiet Lüneburger Heide stellten wir unseren Wecker um 4:30 Uhr. Unser Plan: mit dem ersten Zug nach Buchholz und dann ab in die Heide. Die flache und weite Landschaft bietet sich für kleine Ausflüge aus dem Alltag nahezu an. In Niedersachsen ist dies der größte autofreie Bereich und somit der perfekte Ort, um mal wieder runterzuschalten. Viele Hotels und Ferienunterkünfte sind rund um die Heide für Fahrradfahrer ausgelegt, denn am besten lässt sich dieses schöne Stück Erde mit dem Fahrrad oder zu Fuß erkunden. Da wir nicht allzu weit entfernt wohnen, bietet sich ein Tagesausflug mit dem Zug oder komplett mit dem Fahrrad nahezu an.
Nachdem der Wecker geklingelt hatte, bedeutete es für uns also, ab in den Magen, mit unseren morgendlichen Drinks und einem stärkenden Haferflocken-Frühstück, die ausgelegten Kleidungsstücke anziehen und los gehts.
Die Fahrräder hatten wir vorausschauend am Abend schon vorbereitet. Wir waren müde, denn abgesehen davon, dass es unglaublich früh war, wurde in dieser Nacht auch noch die Zeit umgestellt und die Katze war sehr unruhig. Kaffee gab es keinen, denn den wollten wir uns später unterwegs selbst kochen.
Vor der Haustür war es kalt und neblig. Angeblich 2 Grad, gefühlt weniger. Wir fuhren mit unseren Fahrrädern also schnell durch die verschlafene Stadt zum Bahnhof, um vor Ort festzustellen, dass unser Zug verspätet ist. Wir entschieden uns dann für eine Alternativ-Verbindung und kamen dann schließlich zum Sonnenaufgang in Buchholz an.
Nur ein paar Meter vom Bahnhof entfernt, hatten wir dann eines unserer Tages-Highlights entdeckt. Der kleine Stadtteich, in dessen Mitte ein Baum stand und dichter Nebel, der all das umgab. Ein wahnsinnig schöner Anblick und kurz waren die Kälte und die frühe Uhrzeit vergessen.
Nach ein paar Fotos und einer kleinen Pipi-Pause ging es für uns weiter in Richtung Lüneburger Heide. Selbst die größeren Straßen, an denen wir entlangfuhren, waren von Stille und Nebel umgeben.
Es waren kaum Autos unterwegs und so erhaschten wir einen Blick auf ein Reh, das nicht weit von uns zwischen abgeholzten, oder vom Sturm umgeworfenen Bäumen stand. Lang genug, um es zu fotografieren und einen Augenblick zu bestaunen.
Schließlich erreichten wir die Heidelandschaft und das Büsenbachtal. Die Heidelandschaft zeigt ihre ganze Schönheit und Pracht zwar erst im Spätsommer, wenn alles blüht, aber davon war ohnehin an diesem Tage nichts zu sehen. Der dichte Nebel hing tief über den Hügeln der Heide. Es war wunderschön. Und unglaublich still.
Zumindest, wenn wir stehen blieben und unsere Reifen auf dem Gravel keine Geräusche machten. Weit entfernt konnten wir ein paar Vögel hören, aber sonst nichts. Es umgab uns neben dem Nebel eine Stille, wie wir sie lange nicht erlebt hatten.
Weiter unsere geplante Route entlang ging es zum Pferdekopf. Unter Pferdekopf verbirgt sich nicht der Kopf eines Pferdes, sondern eine kleine Erhebung im Büsenbachtal, auf der es einen schönen Überblick über das Gebiet gibt.
Wir waren zwar erst knapp 12 Kilometer gefahren, aber bei kühlen 5 Grad und der noch immer frühen Stunde passte es perfekt, auf dem Hügel eine Kaffeepause zu machen.
Außer einer Läuferin und bellenden Hunde (und nach den Hunden schreiende Menschen) in der Ferne war niemand weit und breit.
Die wärmende Jacke übergezogen, oder über die Beine gelegt probierte Jana das erste Mal, zitternd vor Kälte, unseren Gaskocher aus. Das Kaffee- und Milchpulver war bereits vermischt und das Wasser wärmte sich langsam auf. Durch den Wind dauerte es leider etwas. Doch dann gab es Kaffee und Kekse. Nur etwas zum Verrühren hätte dem klumpigen Kaffeepulver gutgetan. Das merken wir uns für das nächste Mal.
Weil wir nicht festfrieren wollten, ging es dann schnell weiter in das angrenzende Naturschutzgebiet Brunsberg. Immerhin wollten wir nicht nur Kaffee trinken, sondern auch ein wenig Fahrrad fahren. Um unsere Gliedmaßen wieder aufzuwärmen, war das auch eine gute Idee.
Auf unserem Weg durch die Heide, am Brunsberg und am Höllenberg vorbei, und runter zur Höllenschlucht, fuhren wir durch kleine Waldstücke und mussten mehreren (oder eher: sehr vielen) vom letzten großen Sturm umgeworfenen Bäumen ausweichen. Die größeren Wege wurden freigeräumt, das erzählte uns ein älteres Ehepaar, welches wir im Wald trafen. Andere, kleinere Wege hingegen glichen einem Baumfriedhof. Ein trauriger und ehrfürchtiger Anblick: die Naturgewalt und die Anzahl der umgefallenen Bäume.
Der frühe Vogel und sein Wurm: mitten auf dem Weg saß eine kleine Rotdrossel mit Wurm im Schnabel. Die Kleine saß hartnäckig auf dem Weg und nachdem Björn sehr eng an ihr vorbeigefahren war, blieben wir stehen, um den kleinen, scheinbar angstfreien Vogel anzuschauen (und natürlich zu fotografieren). Nachdem der Kleine zunächst in unsere Richtung gehüpft war, um wie ein Model vor der Kamera zu posieren, hüpfte er schließlich doch an den Wegesrand.
Der Nebel hielt sich hartnäckig. In den Waldstücken war die Sicht besser, auf den offenen und Heideflächen hingegen war auch gegen 12 Uhr noch immer Nebel. Der Himmel war bedeckt und von der angekündigten Sonne nicht viel zu sehen.
Schließlich, auf dem Weg durch das Seevetal, welches wir auf Radwegen und einer sehr ruhigen Straße durchquerten, ließ sich die Sonne blicken. Die Temperatur stieg schnell und so mussten wir eine kurze Pause machen, um unsere warme Kleidung auszuziehen. Trotz etwas Wind rollten wir auf traumhaften Radwegen mit einer für uns schon schnellen Geschwindigkeit zu unserem Ziel des Tages. Der Bahnhof Maschen.
Der Bahnhof in Maschen war klein und bunt. Bemalt in allen Farben und bei den Treppenstufen hingen viele bunte Bilder. Ansonsten gab es zwei Gleise und die Züge, die hier hielten, fuhren etwa stündlich. In zwei Richtungen. Der Fernverkehr fuhr jedoch laut, lärmend und schnell vorbei. Wir mussten eine halbe Stunde auf unseren Zug warten, also setzen wir uns auf das Gleis und genossen die Sonne, die unsere durchgefrorenen Körper mittlerweile aufgewärmt hatte. Und dann kam kein Zug, sondern die Ansage, dass dieser ausfiel. Wir hatten keine Lust, mit den Fahrrädern ganz bis nach Hause zu fahren, obwohl das durchaus möglich gewesen wäre. Deswegen warteten wir noch eine Stunde am Bahngleis auf unseren Zug. Die Wärme der Sonne und die wenigen anderen Wartenden machten die Zeit recht angenehm. Nur zu essen hatten wir leider nichts mehr.
Wir reflektierten unseren Tag. Viel zu lange hatten wir nicht mehr eine so schöne Tour gemacht. Trotz der Kälte am Morgen waren wir glückselig. Das hatten wir mal wieder gebraucht. Es war fast wie Urlaub.