Wie alles begann…
Es war ein unvergesslicher Tag, als wir letztes Jahr spontan beschlossen, nach Sylt zu fahren und dort einen schönen Tag zu verbringen, der sich wie ein richtiger Urlaub angefühlt hatte. Der Gedanke, das Ganze zu wiederholen, hat uns den ganzen Sommer über nicht losgelassen. Leider gab es aufgrund der Pandemie für uns keinen „richtigen“ Urlaub, abgesehen von ein paar Fahrten mit unseren Gravelbikes rund um Hamburg und einer Tour nach Lübeck. Doch meine Sehnsucht nach der norddeutschen Küste und dem Meer, nach der frischen salzigen Luft und dem Gefühl, das sich in einem ausbreitet, wenn man am Meer ist, wurde immer größer.
Die insgesamt etwa 6 Stunden Zugfahrt hatten sich in diesem Jahr jedoch als größeres Hindernis erwiesen: Wollten wir wirklich so lange in einem Zug sitzen? Wie konnten wir „am sichersten“ reisen?
Doch schließlich, am 19. September, war es so weit – dank FFP2-Masken konnten wir unsere lang ersehnte Reise nach Sylt antreten. Wir standen mitten in der Nacht auf, damit wir jede Stunde des Tages ausnutzen konnten und um 4:55 Uhr saßen wir im Zug nach Westerland, Sylt, mit Taschen voller Snacks, Riegel und Obst. Wir erlebten den Sonnenaufgang im Zug und konnten beobachten, wie sich der Himmel in ein wunderschönes Rot verwandelte, als wir uns der Insel näherten. Das Wetter war auf unserer Seite, denn es waren Sonnenschein und angenehme Temperaturen vorhergesagt.
Endlich angekommen
Ich war durchgefroren und konnte kaum glauben, dass ich endlich in Westerland angekommen war, als wir aus dem Zug stiegen. Durch die frische und wirklich kalte Luft, die durch die offenen Fenster hereinkam, hatte die lange Zugfahrt mich ausgekühlt. Doch sobald wir in Westerland ankamen, schwangen wir uns sofort auf unsere Räder, denn wir mussten uns unbedingt bewegen, um uns aufzuwärmen und von den vielen Menschen wegzukommen.
Unser erstes Ziel war der südliche Teil der Insel, nach Hörnum. Leider war dieser Teil der Insel für uns nicht sonderlich aufregend oder besonders schön, denn die Route führte uns fast ununterbrochen direkt an einer Straße entlang. Die wenigen schönen Stellen waren eigentlich eher Wanderwege und meist durfte man dort auch nicht mit dem Rad fahren. Doch wir waren dankbar, dass die Sonne allmählich herauskam und uns aufwärmte.
Beim nächsten Mal werden wir sicherlich unsere Route etwas anpassen, um zu schauen, ob der Süden nicht vielleicht auf anderen Wegen etwas zu bieten hat.
Nachdem wir Hörnum erreicht hatten, machten wir uns sofort auf den Weg, um weitere Teile von Sylt zu erkunden. Unser Weg führte uns am Rantumbecken entlang, einem Naturschutzgebiet (ein Brackwassersee) etwa in der Mitte der Insel Sylt südlich der Orte Westerland und Tinnum.. Hier sahen wir Deiche, Schafe und Flachland, das sich so weit erstreckte, wie das Auge reichte. Und natürlich auch das Wattenmeer.
Doch wir waren nicht die einzigen, die die Schönheit von Sylt erkundeten: Es gab auch eine Menge Touristen auf E-Bikes, die sich auf den Straßen drängten. Inmitten all dieser Technologie fühlten wir uns fast wie die letzten Abenteurer, als wir uns auf unseren Rädern ohne technische Unterstützung auf den Weg nach Morsum machten. Versteh uns nicht falsch, wir haben nichts gegen E-Bikes, denn jeder Mensch auf einem E-Bike ist ein Mensch weniger, der mit dem Auto unterwegs ist. Dennoch war dies eine interessante und neue Erfahrung für uns.
Der Untergrund auf unserer Route war eigentlich alles von Asphalt bis Schotter und vielen kleinen Steinen, weshalb wir diesmal sehr froh waren, nicht wie beim letzten Mal mit Fixed Gear oder Singlespeed-Bikes und schmalen Reifen unterwegs zu sein.
Das Morsum-Kliff: Ein Highlight für Naturliebhaber auf Sylt
Wir beide kannten das Morsum-Kliff noch nicht, und besonders Björn war von der Schönheit dieses Ortes angetan. Das Kliff ist eines der ältesten Naturschutzgebiete in Schleswig-Holstein und befindet sich im Osten von Sylt. Es ist 1.800 Meter lang und 21 Meter hoch und besteht aus verschiedenen Gesteinsarten, die geologisch einzigartig in Europa sind. Leider konnten wir aufgrund unserer Fahrräder nicht die volle Schönheit des Ortes entdecken, aber wir sind sicher, dass es sich zu Fuß lohnen würde, das Kliff zu besuchen. Wir beobachteten die imposante Natur und genossen den wunderschönen Ausblick über das Wattenmeer. Besonders beeindruckt waren wir von den vielfältigen Schattierungen des Bodens, die etwas ganz Besonderes an sich hatten. Sie werden durch die verschiedenen Erdschichten verursacht: dunkler Glimmerton, roter Limonitsand, weißer Kaolinsand und braungelber Geschiebelehm.
Wir fuhren an Keitum vorbei, einem Dorf mit traditionsreichem Charme, das uns begeisterte. Mit seinen malerischen Bauerngärten hinter Steinwällen und engen Straßen und Gässchen, die von alten Bäumen gesäumt sind, war Keitum wirklich schön anzusehen. Von dort aus fuhren wir weiter nach Norden und direkt durch Kampen, dem wohl teuersten Ort auf Sylt. Da es dort aber exklusive Boutiquen und hochpreisige Restaurants gab, reizte uns der Ort nicht wirklich. Stattdessen wollten wir einfach nur Pommes essen und mehr Natur sehen.
Pommes, Pandemie und Perspektivlosigkeit: Eine Odyssee durch List
Trotz einiger Snackpausen fingen unsere Mägen (vor allem meiner) an zu knurren, und wir hatten, wie schon erwähnt, geplant, eine Portion Pommes zu essen. Dabei konzentrierten wir uns auf den Hafen in List, wo es zahlreiche Restaurants, Imbissbuden und Geschäfte gibt. Leider entpuppte sich dieser Plan schnell als Albtraum.
Es fühlte sich fast so an, als hätte sich die gesamte Insel in List versammelt, um zu feiern und zu genießen. Überall standen und saßen Menschen, die aßen, einkauften und sich amüsierten, als wäre die Pandemie gar nicht existent. Wir fühlten uns fehl am Platz und waren entsetzt von der Sorglosigkeit, die wir um uns herum wahrnahmen. Pandemie 2020? Offensichtlich gab es sie hier nicht. Die vielen Menschen um uns herum und die Tatsache, dass wir uns sogar von der Aussicht auf eine Portion Pommes gestresst fühlten, machten uns bewusst, wie seltsam und ungewöhnlich diese Situation war.
Als wir uns durch die überfüllten Straßen des Hafens schlängelten, hielten wir verzweifelt Ausschau nach einer Möglichkeit, uns schnell etwas zu essen zu besorgen. Der Hunger hatte unsere Mägen längst zum Knurren gebracht. Plötzlich entdeckten wir eine Imbissbude mit einem großen „To Go“-Schild an der Wand. Endlich! Doch als wir versuchten, eine Portion Pommes zu bestellen, wurden wir vom Personal kühl abgewiesen. Stattdessen erfuhren wir, dass es an diesem Tag keine „To Go“-Bestellungen gab und wir uns hinsetzen und bestellen müssten, was mit einer langen Wartezeit verbunden sein würde. Wir gaben nicht auf und versuchten es an der nächsten Bude, doch auch dort wurden wir einfach ignoriert. Unsere Odyssee, um an eine Portion Pommes zu kommen, schien aussichtslos.
Wir flüchteten von dem überfüllten Hafen, um ein paar Minuten Ruhe und Abstand von der Menschenmenge zu bekommen, aber selbst das Essen aus unseren Vorräten konnte unsere Enttäuschung nicht lindern. Wir hofften, bald eine neue Gelegenheit zu finden, um etwas Warmes zu essen und unsere Mägen zu füllen.
Als wir uns auf den Weg zum nördlichsten Punkt Deutschlands machten, dem sogenannten „Ellenbogen“, wussten wir, dass wir dort wieder auf atemberaubende Natur und weniger Menschen treffen würden. Bei klarem Wetter sieht man von hier die dänische Küste und fühlt sich sogar von den Dänen etwas gelockt. Ich meine, wenn man schon die „Willkommen in Dänemark“-SMS bekommt …
Aber wir waren nicht nur von der Natur beeindruckt. Auf unserem Weg dorthin entdeckten wir einen alten US-amerikanischen Wohnwagen-Anhänger in Chrom-Optik, der so aussah, als wäre er direkt aus den 50er-Jahren in unsere Gegenwart gereist. Wir konnten einfach nicht widerstehen und hielten an, um ein paar Fotos von ihm zu machen. Es war einfach zu schön, um es nicht zu nutzen. Der Anhänger stand perfekt im Kontrast zur malerischen Landschaft und verlieh dem Foto eine ganz besondere Atmosphäre. Ich „posierte“ für ein paar coole Porträts vor dem Wohnwagen und genoss die herrliche Natur um uns herum. Für mich persönlich ist der Norden der Insel einer der schönsten Teile von Sylt. Als wir weiterfuhren, hatten wir die Bilder im Kopf und konnten es kaum erwarten, sie mit unseren Freunden zu teilen.
Wilde Schönheit und nackte Wahrheiten
Als wir den Weststrand von List erreichten, tauchten wir ein in die wilde Schönheit der Dünen und Wanderdünen, die bis zu 30 Meter hoch aufragten. Von Weitem konnten wir sie bereits sehen, aber erst als wir mittendrin waren, wurde uns bewusst, wie atemberaubend sie waren. Ein langes Stück folgten wir dem Weg durch die Dünen, vorbei an einer Strandsauna in einer wunderschönen Dünenlandschaft.
Wir erreichten das Rote Kliff und bewunderten das achteckige Leuchtfeuer (Leuchtturm) in den Dünen nordwestlich von Kampen. Der rostrote Geröllton, der dem Kliff seinen Namen gab, erhielt seine Färbung durch die Oxidation von eisenhaltigen Bestandteilen. (Ja, dummerweise haben wir vor lauter Bewunderung für die Schönheit des Ortes vergessen, ein Foto zu machen…)
Etwa 1 km westlich des Zentrums von Kampen liegt die Uwe Düne, die wir auf unserem Weg passierten. Sie ist die höchste Erhebung der Nordseeinsel und wird im Umkreis von etwa 40 Kilometern von keiner natürlichen Erhebung übertroffen, Uwe Düne misst stolze 52,5 Meter. Angeblich soll man von der Aussichtsplattform einen atemberaubenden Blick auf die Insel und Kampen haben – aber unsere Räder die 109-stufige Holztreppe hinaufzutragen, das hatten wir uns dann doch lieber erspart. Wir hatten einfach keine Lust, uns die Mühe zu machen und die Treppe hochzusteigen, nur um dann möglicherweise enttäuscht zu werden. Deshalb haben wir uns dazu entschlossen, weiterzufahren und das Risiko einzugehen, etwas zu verpassen. Vielleicht beim nächsten Besuch auf der Insel.
Als wir den atemberaubenden Strand zwischen Wenningstedt und Kampen erreichten, fühlten wir uns sofort von seiner Schönheit gefangen. Nach einem kurzen Abstecher ins bunte Toilettenhäuschen machten wir uns auf den Weg zu den türkisblauen Holzhütten, die von der tief stehenden Sonne in ein magisches Licht getaucht wurden. Wir konnten nicht anders, als ein paar Fotos von diesem wunderschönen Anblick zu machen.
Während wir dort saßen, bemerkten wir einige nackte Menschen in der Ferne. Offensichtlich gab es sowohl einen Hundestrand als auch einen FKK-Strand in der Nähe.
Als wir uns auf den Weg machten, waren wir gespannt auf das, was vor uns lag. Wir folgten dem Wanderweg, der uns auf einem Holzsteg über das Rote Kliff führte. Hier sollte sich laut Aussage von Einheimischen der schönste Blick auf die Nordsee bieten.
Unsere Herzen klopften vor Aufregung, nicht nur wegen der atemberaubenden Aussicht, sondern auch weil wir uns diesmal dazu entschieden hatten, die Fahrräder die steilen Holztreppen hinaufzuschleppen. Während wir schwer schnaufend die Stufen hinaufstiegen, fluchten wir vielleicht ein kleines bisschen über die Routenplanung.
Als wir oben ankamen und die Aussicht auf die Nordsee genossen, war all der Schweiß und die Mühe vergessen. Das war wirklich ein unvergessliches Erlebnis.
Doch unser Abenteuer ging weiter. Als der Bohlenweg zu Ende war, führte uns unser Weg durch das malerische Dorf Wenningstedt entlang des Lornsenwegs auf unserem Weg nach Westerland.
Pommes und die magische Kraft, Erschöpfung in Glück zu verwandeln
Es fehlte noch ein letztes Element zu unserem Glück: Die Pommes, auf die wir uns den ganzen Tag gefreut hatten. Glücklicherweise fanden wir in der Nähe des Bahnhofs einen Dönerladen, dessen Inhaber sich als unser Held des Tages herausstellte.
Wir betraten den Laden und wurden freundlich begrüßt und gefragt, was wir haben wollten. Wir bestellten unsere Pommes und stellten uns draußen an einen Stehtisch, während wir dem Duft von frittierten Kartoffeln entgegen schnupperten.
Es dauerte nicht lange, bis unsere Pommes kamen – heiß, knusprig und mit genau der richtigen Menge Ketchup. Wir machten uns hungrig darüber her und genossen jeden Bissen.
Endlich glücklich und satt stiegen wir völlig erschöpft in den Zug nach Hamburg, während wir uns bereits auf zukünftige Abenteuer freuten.