Nach dem verregneten und kurzem drittem Tag auf dem Fahrrad, begrüßte uns am vierten Tag morgens direkt wieder die Sonne. Unsere Kleidung und Taschen waren zum Glück über Nacht getrocknet. Somit konnten wir alles entspannt einpacken. Wir wollten früh los und den Tag nutzen.

Für den vierten Tag hatten wir ursprünglich etwa 70 km geplant, dazu kamen aber auf jeden Fall auch die Kilometer des Vortages, die wir aufgrund des Regens nicht hinter uns bringen konnten. Trotz allem erwies sich diese Entscheidung als die einzig Richtige.

Und dann das: als wir fast abfahrbereit waren, löste sich die Bindung an Björns Fahrradschuhen in Luft auf und der Schuh fiel ihm vom Fuß. Welche Möglichkeiten hatten wir, um den Schuh zu reparieren? Mit Klebeband zukleben? Kabelbinder drum wickeln? Ja, das hätte alles funktionieren können, wäre aber natürlich keine Dauerlösung für die nächsten Tage auf dem Fahrrad gewesen.

Zu unserem erneuten Glück befanden wir uns ja nach wie vor in Hvide Sande, was bedeutete, dass es hier einige Läden gab, die Outdoor-Zubehör und Kleidung im Angebot hatten. Neue Fahrradschuhe? No way. Wetterfeste Outdoor-Schuhe sollten es werden. Dank Björns zweiseitigen Pedalen kein Problem. Der einzige Haken an der Sache? Die Läden machten erst etwa eine Stunde später auf – das bedeutete für uns warten.

Nachdem Björn den Outdoor-Laden direkt, nachdem er geöffnet hatte, betrat und wenige Minuten später mit neuen Schuhen herauskam, verabschiedete er sich von den alten und wir konnten jetzt wirklich endlich starten.

Wir waren guten Mutes, dass sich von diesem Moment an, der Tag nur noch ins bessere entwickeln kann. Immerhin hatten wir Rückenwind und eine Vorahnung darauf, dass die Landschaften an diesem Tag besonders schön werden würden. Außerdem hatten wir uns für diesen Abend einen spannenden Shelter-Platz ausgesucht.

Durch den Rückenwind kamen wir wirklich zügig vorwärts und hatten unser Kilometerdefizit schnell wieder aufgeholt. Durch die längere Pause am Vortrag fühlten wir uns zusätzlich voller Energie.

In der kleinen Hafenstadt Thorsminde legten wir eine kurze Mittagspause ein. Hier hatten wir einen tollen Ausblick auf den Nissum Fjord und die Nordsee, die dort aufeinandertreffen.

Wie wir es bereits erwartet hatten: mit jedem Tritt in die Pedale und jedem Kilometer, den wir zurücklegten, wurde die Natur immer schöner. Die Wege führten uns ganz nah an die Küste der Nordsee heran, sodass wir während des Fahrens immer wieder die Wellen auf dem Meer beobachten und die frische Luft tief in uns einsaugen konnten.

Der starke Wind an diesem Tag trieb die Wellen mit großer Kraft an die Felsen und Strände. Der Himmel verdunkelte sich wieder und die Stimmung war atemberaubend.

Unsere Route führte uns direkt am Rand der beeindruckenden Steilküste Bovbjerg Klint entlang, die Teil des UNESCO Global Geopark West Jütlands ist. Die beeindruckende Klippe zeigt Spuren der Eiszeiten Elster, Saale und Weichsel.

Von etwas Entfernung konnten wir auch den Leuchtturm Bovbjerg Fyr sehen und den kleinen Küstenort Ferring. Eines können wir sagen, das war das bisher größte Highlight auf unserer Strecke auf dem Nordseeküstenradweg. Wir waren im Nachhinein sogar froh, dass der Himmel nicht blau war und die Sonne schien, denn so bekam alles eine noch viel beeindruckendere Stimmung.

Wir kamen unserem Tagesziel so langsam immer näher und der Himmel klarte immer mehr auf. Pünktlich zum Abend erwartete uns also an diesem Tag auch noch ein Sonnenuntergang. Und wie schön dieser wurde, konnten wir zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht erahnen.

Auch die Familie aus Belgien, die wir am vorherigen Tag schon getroffen hatten, sahen und grüßten wir an diesem Tag mehrmals. Keine Überraschung, denn sie hatten ungefähr das gleiche Ziel wie wir.

Unser Ziel an diesem vierten Tag stand zum ersten Mal bereits fest, bevor wir losgefahren waren: Thyborøn. Nach etwa 94 km erreichten wir es.

Thyborøn ist ein kleiner Ort in der dänischen Region Midtjylland. Er liegt an der Nordseeküste auf der Nordspitze der Landzunge Harboøre Tange, die durch den Thyborøn-Kanal von der Landzunge Agger Tange getrennt wird. Von dort wollten wir am nächsten Tag auch die Fähre nehmen.

Der Strand in Thyborøn ist ziemlich beeindruckend und macht gleichzeitig ziemlich nachdenklich. Die ehemalige Festungsanlage in Thyborøn war Teil des einstigen Atlantikwalls, der Verteidigungslinie der deutschen Besatzungsmacht im Zweiten Weltkrieg. Heute sind die historischen Überbleibsel teilweise mit Sand bedeckt, andere kann man noch besichtigen.

Während es an der gesamten Küstenlinie von Jütland Bunker gab, handelt es sich bei Thyborøn um einen besonderen Standort. Die mehr als 60 Bunker sind über den gesamten Sandstrand verteilt.

Passend dazu hatten wir uns für diese Nacht einen besonderen Shelter ausgesucht – zwischen den Dünen, direkt am Meer im Schutz eines alten Bunkers. Dieser wird auch offiziell als Shelter verwendet, hat durch seine Lage aber weder Toiletten noch einen Wasseranschluss oder eine Feuerstelle. Für uns, was das kein Grund diesen Shelter nicht für die Nacht zu nutzen. Etwa 1 km entfernt gab es Toiletten und Wasser und somit hatten wir alles, was wir brauchten.

Wir hatten befürchtet, dass dieser besondere Platz bereits von anderen Radreisenden besetzt sein könnte, dem war jedoch nicht so. Da uns der Bunker an sich aber etwas zu unheimlich war, um darin einfach die Schlafsäcke auszubreiten, stellten wir unser Zelt in den Eingang unter das Dach. So waren wir vom Wind geschützt und konnten es uns bequem für die Nacht machen.

Die Sonne ging am Himmel langsam unter und wir waren nur eine Düne davon entfernt, die Sonne am Horizont untergehen zu sehen. Auch ließen wir uns die Chance nicht entgehen, am vierten Tag endlich mal etwas Meerwasser auf der Haut zu spüren. Die Temperaturen und die Sonne ließen es zu und so erfrischten wir uns in den kalten Wellen.

Aufs Kochen verzichteten wir an diesem Abend, denn wir hatten noch einige Reste, die wir aßen und dann fielen wir in unsere Schlafsäcke, mit den Köpfen voller Eindrücke, die nun zu verarbeiten waren … der Tagesabschluss war perfekt.

Da wussten wir noch nicht, was uns am nächsten Morgen erwarten würde …